KAPITEL — Eins

Schloss Sauerbrunn. Jetzt hat die Frau doch grad einen Mann gehabt, und schon ist er wieder weg. Weil sie keine Hübsche ist? Ist sie! Schau sie an! Hat sie nicht hübsche Flechten, in einem gewissen Sonnenlicht fast wie rotes Gold, und rotes Gold ist seltener noch als Gold. Und die Augen – bei einem gewissen Lichteinfall fast grün, aber kein hinterlistiges, kein kaltes Grün, sondern ein leidenschaftliches, das einem das Herz pumpern lässt bis in den Adamsapfel. Und trotzdem hat sie den Mann nicht bei sich halten können. Und es war nicht der erste. Vor ihm hat es schon Männer gegeben, die waren angezogen worden vom Gold und vom Grün und waren berauscht gewesen eine Nacht lang, aber dann – nichts wie weg! Warum? Man weiß es nicht. Irgendetwas ist mit der Frau. Frag einen der Männer, er wird dir sagen: „Ich weiß nicht, ich weiß nicht …“ Mehr wird er dir nicht sagen. So sind sie nichts wie weg, die Männer, und nichts ist geblieben. Das heißt, vom letzten Mann ist doch etwas geblieben, nämlich ein Kindlein, ein Söhnchen. Und eines kann nicht aufgeschoben werden zu sagen: Dieses Kind war schön – so schön, als hätte der liebe Gott, der ja der Meister alles Schönen ist, alles Schöne, was bis dahin gegolten hat, beiseitegeschoben und ein neues Schönes als hinkünftiges Ziel seiner Schöpfung festgelegt. Man muss es so kompliziert ausdrücken, denn herkömmliche Vergleiche versagen bei dieser Schönheit völlig, weswegen auch auf eine Beschreibung des Knaben verzichtet wird – außer dass er nicht Haare hatte wie Gold, sondern aus Gold, und nicht eine Haut wie Karamell, sondern aus Karamell, und nicht ein Stimmchen wie ein Engel, sondern ein Engelstimmchen, und so weiter, die Aufzählung müsste beim Scheitel anfangen, und bei der Sohle wäre sie noch lange nicht zu Ende.